Geschichte der Gethsemanebruderschaft
Die ersten Wurzeln der evangelischen Gethsemanebruderschaft liegen in der Jugendarbeit von Olav Hanssen während der Kriegs- und Nachkriegsjahre in Hannover und
Göttingen. Nachdem Olav Hanssen Ende der 50er Jahre Leiter des Missionsseminars in Hermannsburg in der Südheide wurde, bildete sich 1963 um ihn und seine Ehefrau Barbara eine Bruderschaft, die sich
ab 1966 „Koinonia“ (Gemeinschaft) nannte. Ihr gehörten sowohl Ehepaare als auch ehelose Brüder an. Die gemeinsamen geistlichen Verbindlichkeiten formulierte Olav Hanssen in einer Regel, die auch
heute noch die Regel der Brüder im Gethsemanekloster ist.
Ab 1975, einige Jahre nach dem frühen Tod von Barbara Hanssen, nahm unter der Leitung von Olav Hanssen der Kreis der Ehelosen, der sich nun
„Gethsemanebruderschaft“ nannte, mehr und mehr Gestalt an. Seit 1980 erfüllten sieben Brüder und mitlebende Ehepaare das historische, mittelalterlich geprägte Domkloster zu Ratzeburg mit neuem
kontemplativem Leben. Sie lebten und arbeiteten im Umkreis des Klosters. Ihr Tagesgerüst bildeten das Stundengebet und festgelegte Schweigezeiten. Die Gemeinschaft lud im Domkloster zu
Schweige-Einkehrzeiten ein.
Da der Pachtvertrag für das Domkloster nicht verlängert werden konnte, suchte die Bruderschaft nach einer neuen Lebens- und Wirkungsstätte. Die Wahl fiel auf das
Kloster Riechenberg am Harzrand bei Goslar. Als Augustiner-Chorherrenstift war Riechenberg seit der Gründung im 12. Jahrhundert ein bedeutender Ort. Die Ruine der großen romanischen Klosterkirche und
die romanische Krypta, die zu den schönsten Norddeutschlands gehört, zeugen davon. Nach der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts ging Riechenberg in das Eigentum des Hannoverschen Klosterfonds
über, zu dessen Verwaltung 1818 die Klosterkammer Hannover gegründet wurde, eine der ältesten und traditionsreichsten deutschen Behörden. Riechenberg und seine Ländereien wurden nun als Gut
bewirtschaftet.
Um ein Leben der Bruderschaft in Riechenberg zu ermöglichen, hat die Klosterkammer Ende der 80er Jahre die verbliebenen Konventsgebäude wiederhergerichtet, die
Reste der Stiftskirche konserviert und die Krypta restauriert. In der ehemaligen Sakristei sind heute die Kapelle und darüber das Oratorium untergebracht. Aus dem ehemaligen Propsteigebäude entstand
das Einkehrhaus.
Nach dem Weggang aus Ratzeburg zogen die ehelosen Brüder der Gethsemanebruderschaft 1990 in das Kloster Riechenberg ein, das nunmehr den Namen „Gethsemanekloster“
erhielt, während die verheirateten Geschwister an verschiedenen Orten „mitten in der Welt“ leben und die Einkehrarbeit des Klosters unterstützen.
Für die Brüder gelten die drei evangelischen Räte, die die Grundlage monastischen Lebens bilden: einfaches Leben, Ehelosigkeit und Gehorsam gegenüber der Regel
und dem Leiter. Der Tagesablauf wird strukturiert durch die Gebetszeiten: um 7:00 Uhr die Laudes in der Kapelle mit vier gesungenen Psalmen nach dem Benediktinischen Antiphonale; um 12:00 Uhr das
Mittagsgebet im Oratorium mit Taizé-Gesang, gesprochenem Psalm und gemeinsamem Schweigen, dem Fürbitten folgen; um 18:00 Uhr Gebet der Vesper in der Kapelle mit Psalmodie und Schriftlesung. Vom
Abendgebet 18:00 Uhr bis zum Morgengebet um 7:00 Uhr ist die Klausurzeit der Brüder, in der jeder für sich ist und Zeit für die persönliche Stille hat.
Die Brüder leiten ein Einkehrhaus mit 23 Einzelzimmern. Es stehen weitere 16 Zimmer im Benediktushaus, im Franziskushaus und in der Klausur für Gäste zur
Verfügung. Es besteht die Möglichkeit, an Schweigeeinkehrzeiten innerhalb einer Gruppe teilzunehmen oder als Einzelgast im Kloster einzukehren.
Frauen und Männer sind zu einem mehrmonatigen Aufenthalt und Mitarbeit im „Kloster auf Zeit“ eingeladen, ein Angebot, das gern genutzt wird. Im Sommer finden
Freizeiten für Jugendgruppen sowie eine „Familien-Einkehr“ mit Übernachtung in der Sommerscheune statt.
Das Kloster wird getragen durch die Spendengelder des Vereins „Trägerkreis Evangelisches Kloster e.V.“ und den Gästeverkehr. Rund 3500 Übernachtungen verzeichnet
das Einkehrhaus jährlich. Viele Gäste kommen regelmäßig.
Die Gethsemanebruderschaft ist in die Netzwerke der Kommunitäten und Geistlichen Gemeinschaften eingebunden und pflegt enge Kontakte zur Braunschweigischen
Landeskirche.